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Wenn der Lehrling Chef ist

Wenn der Lehrling Chef ist

Eine Woche im Jahr übernehmen Lehrlinge das Kommando in der Ströck-Filiale am Stephansdom.

Wie das geht, warum es wunderbar funktioniert und weshalb das auch sonst eine bahnbrechende Idee ist, haben uns drei von ihnen im Gespräch erklärt.

Text: Severin Corti

Man darf sich schon wundern, was in die Familie Ströck gefahren ist, dass sie eine ihrer prominentesten Filialen am Wiener Stephansdom nun schon das fünfte Jahr in Folge in die Hände von ein paar Lehrmädchen und -buben legt, damit die jungen Herrschaften eine ganze Woche lang zeigen können, dass sie eh sehr brav gelernt haben. Der Kunde ist bekanntlich König und als solcher recht empfindlich, wenn die gewohnt zuvorkommende Bedienung auf einmal nicht so glatt verlaufen sollte oder am Ende gar die Handsemmeln aus sind, weil sich der junge Mann in der Schaubackstube mit der Nachfrage verschätzt hat.

„Das sollte natürlich nicht vorkommen“, sagt Sebastian Gall, Bäckerlehrling im dritten Lehrjahr, der heuer schon das zweite Mal dabei ist, wenn am Stephansdom die Lehrlingswoche läuft und die gesamte Filiale, vom Filialleiter abwärts, ausschließlich von Lehrlingen betrieben wird. „Aber dass es einmal unvorhergesehen zu einem kurzen Engpass bei dem einen oder anderen Produkt kommt, passiert auch im normalen Geschäftsalltag.“ Die Kunden würden das meist auch verstehen, „schließlich schlagen wir die Handsemmeln vor den Augen der Kundschaft frisch und backen sie direkt am Stephansdom“. Eine kurze Wartezeit sei eben manchmal der Preis echter Frische.


Die Idee von Irene Ströck, Lehrlinge so konkret in die Verantwortung zu nehmen und ihnen den Betrieb einer ganzen Filiale zu übergeben, ist nur ein beeindruckendes Zeichen dafür, welchen Stellenwert die Ausbildung zukünftiger Mitarbeiter bei Ströck einnimmt. Die 70 Lehrlinge, die jedes Jahr in der Bäckerei und in den Filialen ausgebildet werden, dürfen sich für die Teilnahme an der Lehrlingswoche bewerben, in einem betriebsinternen Assessmentverfahren werden jene 22 ausgewählt, die die Filiale Stephansdom für eine Woche alleinverantwortlich betreiben dürfen. Die Initiative wurde von der Wirtschaftskammer mit speziellem Dank und mit einer Anerkennung ausgezeichnet.

„Da wollen natürlich alle dabei sein, so eine Chance bekommst du sonst nirgends“, sagt Sarah Jelinek, die ihre Lehre erst begonnen hat und zum ersten Mal dabei sein darf. „Über zwei Monate trainieren wir mehrmals die Woche, damit dann auch ja alles glattgeht.“ Wie ihre Kolleginnen und Kollegen schätzt auch sie das enorme Angebot an Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten bei Ströck. „Einstweilen weiß ich noch gar nicht genau, was ich machen will, wenn ich einmal die Lehre und, parallel dazu, die Matura abgeschlossen habe – was ich aber weiß, ist, dass ich hier enorm viele Möglichkeiten zum Aufstieg und zur Entfaltung habe.“


Wie die Haftelmacher

Das Training im Rahmen der Ströck-Lehrlingsakademie wird von Roswitha Schaffer geleitet, die die Lehrlingswoche von Anfang an mitentwickelt und aufgebaut hat. „Dabei lernen wir unendlich viele Details, die beachtet werden müssen, und wie sehr es gerade auf die Kleinigkeiten ankommt, damit so eine Filiale reibungslos am Laufen gehalten werden kann“, sagt Sheref Ahmed, der mit 18 Jahren im dritten Lehrjahr ist und heuer erstmals die Position des Filialleiters übernehmen darf. „Natürlich ist das eine Riesenverantwortung, aber wir halten als Team wirklich super zusammen und können uns zu 100 Prozent aufeinander verlassen.“ Was schon sehr nach professioneller Mitarbeitermotivation klingt, lässt sich vor Ort bei laufendem Betrieb prüfen.

Wie die sprichwörtlichen Haftelmacher sind die Lehrlinge dahinter, dass alles passt: die Ware ordentlich und sauber nachgeschlichtet, das Aufbacken rechtzeitig gestartet, die Preisauszeichnungen am richtigen Platz, die Vitrinen sauber, die Snacks frisch und hübsch belegt, die Kaffeemaschine geputzt und genügend Milch eingeschlichtet. – Diese und hunderte Handgriffe mehr wurden im Training klar definiert und im Team aufgeteilt, zigmal durchgespielt und memorisiert, von Roswitha Schaffer penibel bewertet und korrigiert, bis wirklich jeder seine Aufgaben im Griff hat.


„Das ist natürlich anstrengend“, sagt Sheref, „aber das Gefühl, wenn wir die Woche ohne Chaos und mit zufriedenen Kunden bewältigt haben, ist einfach unbeschreiblich!“ Die Motivation, die er sich aus solch
einer Erfahrung hole, könne man gar nicht in Worte fassen. Heuer hat die Lehrlingswoche in der Filiale Stephansdom bereits stattgefunden, Sarah, Sheref, Sebastian und die anderen aber würden sich sehr freuen, wenn Sie im nächsten Jahr, voraussichtlich Mitte März, in der Filiale Stephansdom vorbeischauen.