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Mehr als anständiger Kaffee

Mehr als anständiger Kaffee

REPORTAGE

In Äthiopien, der Wiege des Kaffees, werden bis heute herausragende Bohnen angebaut, Klimawandel und fallende Weltmarktpreise setzen den Bauern aber zu. Wir haben uns vor Ort umgesehen, wie Fairtrade hier mit Bio und nachhaltigen Entwicklungsprojekten hilft, die Zukunft des Kaffeeanbaus zu sichern.

Jeden Tag vor Sonnenaufgang macht sich die 17-jährige Sebele auf zu ihrem Arbeitsplatz. Es ist eine Art Open-Air-Drive-in-Café an der vielbefahrenen Schnellstraße Nummer 8, die von Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba durchs Rift-Valley in Richtung Süden führt. Mit ein paar Reisigzweigen fegt Sebele ein quadratisches Stück Asphaltboden, verstreut darauf Blumen und verbrennt Weihrauch. Dann stellt sie einen Hocker und ein niedriges Tischchen auf, wäscht sorgfältig die kleinen Kaffeetassen und arrangiert diese in Reih und Glied. Schließlich entfacht sie mit Holzkohle ein Feuer, auf dem sie in einer Pfanne die Kaffeebohnen rösten wird.

„Wenn die ersten Gäste zum Frühstück eintreffen, muss alles bereit sein. Von da an bis in die frühen Nachmittagsstunden wird hier fast pausenlos Kaffee getrunken“, sagt die junge Frau und spricht damit eine der Besonderheiten der äthiopischen Kaffeekultur an.

Im Unterschied zu Nachbarländern wie etwa Kenia, das 97 Prozent seiner Kaffeeerzeugung ins Ausland verkauft, wird in Äthiopien mehr als die Hälfte der Produktion im Land selbst getrunken. Und zwar mehrheitlich genau so, wie Sebele ihn zubereitet, also über Holzfeuer geröstet und gebrüht, aus dem traditionellen Tonkrug, der Jebena, gegossen und in Gesellschaft getrunken. Was sich ein Äthiopier kaum vorstellen kann, ist den Kaffee allein oder gar „to-go“ zu trinken, wie das jetzt auch in Europa immer üblicher wird.

Doch Kaffee hat für Äthiopien nicht nur eine soziale und geradezu rituelle Bedeutung, sondern auch eine wirtschaftliche. Das Land, das als Ursprungsort der Arabica-Sorte gilt, bezieht nicht weniger als 60 Prozent seiner Exporteinkünfte aus dem Handel mit Kaffee, ein Viertel der rund 100 Millionen Einwohner des Landes verdient seinen Lebensunterhalt mit Kaffee. Doch nun bedroht der Klimawandel diesen Wirtschaftszweig.

Hochlandkaffee

Ein paar Autostunden von Sebenas Arbeitsplatz in Richtung Süden ändert sich die Landschaft schlagartig. Nach Verlassen des flachen, trockenen, von Viehzucht und Getreideanbau geprägten Rift-Valleys erreicht man das Hochland. Die Bergwälder präsentieren sich mit dichter Vegetation und in üppigem Grün. Hier, auf einer Seehöhe zwischen 1500 und 2000 Metern, werden einige von Äthiopiens besten Kaffees angebaut. Und zwar ausnahmslos von Kleinbauern. Große Plantagen, wie sie in mengenmäßig weit bedeutenderen Anbauländern wie etwa Brasilien oder Vietnam vorkommen, wird man hier – und in ganz Äthiopien – nicht finden.

Einer der Bauern ist Bedhaso Dembi. Mit seinen zwei Frauen und den ältesten seiner 16 Kinder bewirtschaftet er drei Hektar Land, pflanzt Kaffee, aber auch Bananen und etwas, das sie hier falsche Banane nennen. „Sie trägt keine Früchte, dafür kann man aus ihren Knollen Mehl zum Brotbacken gewinnen“, erklärt der Bauer. Noch wichtiger aber seien andere Vorzüge der Pflanze. Nämlich ihre großen, schattenspendenden Blätter und ihre Fähigkeit, Wasser zu speichern. Davon profitieren die Kaffeepflanzen, zwischen denen sie wächst.

„Die Blätter der Banane schützen die Kaffeepflanze vor zu viel Sonne. Und das Wasser, das sie speichert, gibt sie bei Trockenheit ab“, erklärt Dembi. Dieserart angebauten Kaffee nennt man „Garden Coffee“. Im Unterschied zu Plantagenkaffee, der meist in der prallen Sonne angebaut wird, wächst der Kaffee der Kleinbauern viel langsamer, entwickelt aber gleichzeitig und wie alles, das länger braucht, intensivere und komplexere Aromen.

Doch mehr Geld erhält der Bauer für seinen qualitativ hochwertigen und ausschließlich per Hand geernteten Kaffee auf dem Weltmarkt deswegen noch lange nicht. Zudem fallen die Preise in den letzten Jahren stetig. Derzeit wird ein Pfund Arabica-Kaffee um 1,23 Dollar gehandelt. Ende 2016 lag der Preis noch bei knapp 1,70 US-Dollar, im Jahr 2011 sogar noch über drei Dollar.

Deshalb setzt Dembi genau wie alle Mitglieder der lokalen Kaffeebauernkooperative auf Bio- und Fairtrade-Zertifikate. „Fairtrade garantiert einen Mindestpreis von 1,40 Dollar, dazu kommt ein Biozuschlag von 0,30 Dollar“, erklärt Dembi. Zudem gibt es eine sogenannte Fairtrade-Prämie, die von der Kooperative und nach demokratischem Beschluss für gemeinnützige Projekte verwandt wird. In Dembis Gemeinde ist dies der Bau eines Schulgebäudes, der den örtlichen Schülern den bis dahin notwendigen Schulweg erspart – und der war mit 42 Kilometern so lang, dass ihn sich nur die wenigsten leisten konnten.

Klimastrategie

Mindestens so wichtig ist die Errichtung einer Baumschule, an der neue, an den Klimawandel angepasste Setzlinge entwickelt werden. Wissenschafter schätzen, dass die Durchschnittstemperatur in Äthiopien in den nächsten Jahren um bis zu zwei Grad Celsius steigen wird. Das wiederum würde den Stress für die Kaffeebäume erhöhen und somit Ertrag und Qualität mindern. Zudem begünstigt ein wärmeres Klima die Verbreitung von schädlichen Insekten und Krankheiten, die die empfindlichen Pflanzen befallen könnten.

Was also ist zu tun, damit Kleinbauern wie Bedhaso Dembi auch in Zukunft hochqualitativen Kaffee erzeugen und damit genügend verdienen können, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie zu bestreiten? Der Bauer denkt länger nach, bevor er eine Antwort gibt. Dann sagt er: „Hilfreich wäre es, wenn die Menschen in Europa nicht nur auf den Preis schauen, sondern sich mehr dafür interessieren würden, wo der Kaffee herstammt und wie er erzeugt wird. Das wäre zumindest ein Anfang.“ Die Familie Ströck hat das bereits vor ein paar Jahren getan und setzt seit 2006 auf Fairtrade-Anbau: Kaffee in den Ströck-Filialen ist Fairtrade- und Bio-zertifiziert.

TEXT & FOTOS VON GEORGES DESRUES