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Die Flamme der Tradition

Die Flamme der Tradition

Die Ströcks haben die Bäckerei ihrer Vorfahren in Kittsee aus dem Dornröschenschlaf geholt.

In dem aufwendig renovierten Haus wird nun wieder Brot gebacken – im mächtigen Holzofen und aus ganz besonderem Biogetreide.

TEXT TOBIAS MÜLLER | FOTOS LUKAS LORENZ

VOR MEHR ALS 150 JAHREN BEGANN HIER DIE GESCHICHTE DER BÄCKEREI – NUN BÄCKT WIEDER EIN STRÖCK BROT IN DEM ALTEN HAUS IN KITTSEE.

Ein denkmalgeschütztes Haus, das fast völlig verfallen ist, zu renovieren ist kein günstiges Vergnügen. Schon gar nicht, wenn man einen uralten Holzbackofen wieder fit macht. Ein gutes Geschäft wird die neue alte Bäckerei in Kittsee daher sicher nicht werden. Aber darum ging es Gerhard Ströck nie. „Das habe ich für meinen Seelenfrieden getan“, sagt der Seniorbäckermeister der Bäckerei Ströck.

Das altehrwürdige Haus Joseph-Joachim-Platz Nummer 7 in Kittsee im Burgenland ist so etwas wie die Keimzelle des Familienunternehmens in Österreich. In den 1850er-Jahren begann ein gewisser Johann Michael Hüttlinger als Bäckermeister in Kittsee zu arbeiten – zunächst als Leibeigener der Esterházys, später als freier Mann und selbstständiger Bäcker.

Das Haus am Joseph-Joachim-Platz war seine Bäckerei. Seine Enkelinnen sollten etwas später zwei Ströck-Brüder heiraten, die ebenfalls Bäcker wurden – und von denen einer der Großvater von Gerhard und dessen Bruder Robert war.

DIE RENOVIERUNG DES ALTEN HAUSES UND DES HOLZOFENS WAR GERHARD STRÖCK EINE HERZENSANGELEGENHEIT. STRÖCK-ENTWICKLUNGSBÄCKER PIERRE REBOUL (IM HINTERGRUND) WIRD HIER NUN REGELMÄSSIG BACKEN.

In den vergangenen Jahrzehnten, während die Ströcks ihre Wiener Bäckerei zu einer der erfolgreichsten Bäckereien Österreichs machten, ruhte jene in Kittsee – das Haus war zwar noch bewohnt, seit 1968 wurde darin aber nicht mehr gewerblich gebacken. Vor ein paar Jahren, als es zum Verkauf stand, schlug Gerhard zu. „Ich wollte unbedingt, dass dieser Ursprungsort der Bäckerei Ströck bewahrt bleibt“, sagt er. Und halb im Scherz fügt er hinzu: „Und ich brauche einen Ort, an dem ich in der Pension backen kann!“

Bei der Renovierung wurde ganz besonders viel Liebe und Mühe für die Restaurierung des alten Holzbackofens aufgewendet: Österreichs einziger Ofenbauer, der auf historische Backöfen spezialisiert ist, wurde dafür engagiert. Gerhard Ströck und Ströck-Entwicklungsbäcker Pierre Reboul fuhren gemeinsam extra nach Paris, um sich in der legendären Bäckerei Poilâne anzusehen, wie heutzutage mit Holz gebacken wird.

Der alte neue Ofen wird mit einem Zwei-Kammern-System beheizt: Links und rechts des Backraums lodern die Holzscheite,
das Feuer und der Rauch ziehen dabei direkt durch die Kammer, in der später das Brot liegt. Erst wenn das Feuer abgebrannt und der Ofen und seine dicke Bodenplatte auf 270 Grad aufgeheizt sind, werden die Laibe eingeschossen. Der ganze Prozess dauert gut vier Stunden und macht viel Arbeit. Der Lohn dafür ist ein besonders köstliches, lange haltbares Brot mit herrlicher Kruste und wunderbaren Röst- und Feueraromen.

EINMAL IN DER WOCHE SOLL HIER AUS KITTSEER BIOGETREIDE BROT GEBACKEN WERDEN, UND ZWAR
MÄCHTIGE, ZWEI KILO SCHWERE LAIBE.

Verbacken wird in dem Ofen ausschließlich Kittseer Bioweizen – 23 Tonnen haben sich die Ströcks davon bereits gesichert. Er soll auf der Ströck-eigenen Mühle frisch vermahlen und dann zu einem Sauerteig vergoren werden. Einmal die Woche, so der Plan, wird Reboul im Kittseer Holzofen daraus Brot backen, und zwar riesige, zwei Kilo schwere Bauernlaibe. Derzeit ist das Projekt noch in der Entwicklungsphase, aber wenn alles gutgeht, soll es dieses urige, traditionelle und zukunftsträchtige Broterlebnis an ausgewählten Orten in Wien zu kaufen geben. Geschichte geschrieben hat es aber jetzt schon: Nach über 50 Jahren in Wien bäckt im alten Haus in Kittsee wieder ein Ströck.