Zum Inhalt springen
Bäcker von Welt: „Brot muss nicht immer protzig sein“

Bäcker von Welt: „Brot muss nicht immer protzig sein“

Der Brite Tom Herbert ist Bäcker in der fünften Generation. Am liebsten bäckt er allerdings nicht in der Backstube, sondern draußen in der Natur, über offenem Feuer.

Jetzt hat er ein Buch darüber geschrieben. Uns hat er erklärt, was wir beim Backen über Feuer fürs Leben lernen können – und welche Rezepte ein Lagerfeuer zu einem unvergesslichen Abend machen.
Interview Tobias Müller & Fotos Jody Daunton

Tom Herbert übersiedelte mit acht Jahren auf eine Farm, auf der es keinen Fernseher gab. Seither ist er vom Feuermachen fasziniert.

Warum bist du Bäcker geworden?
Mein Großvater hat sich 1981 einen PR-Gag für unsere Bäckerei ausgedacht. Er hat einen Rekord aufgestellt: Er hat bis damals am schnellsten einen Laib Brot gebacken. Das waren andere Zeiten, heute ist es genau umgekehrt, wir wollen möglichst langsam backen! Jedenfalls hat er es in 90 Minuten vom Getreide am Feld zum fertigen Brot geschafft. Dafür hat er das Getreide mit dem Helikopter vom Feld in unsere Mühle zum Mahlen geflogen. Ich war damals vier und durfte im Hubschrauber mitfliegen. Da dachte ich mir: Wow, so einen coolen Beruf will ich auch, wo ich im Hubschrauber fliegen kann! Aber im Ernst: Meine Familie ist seit fünf Generationen Bäcker, die Frage hat sich nicht wirklich gestellt.

Wie bist du vom Hubschrauber fliegen zum Feuerbacken gekommen?
Als ich acht war, ist meine Familie auf eine Farm gezogen, wo wir Getreide für unsere Bäckerei angebaut haben und Tiere gehalten haben für unsere Fleischhauerei. Wir hatten dort keinen Fernseher, also haben mein Bruder und ich den ganzen Tag draußen verbracht und ständig Feuer gemacht. Das war der Anfang. Als ich später in die Bäckerei eingestiegen bin, hat mein Vater ganz viele Brote mit verschiedenen Dingen drin gebacken – Brot mit getrockneten Tomaten, Brot mit Käse, mit Oliven. Das war damals total gefragt. Ich wollte aber mein eigenes Ding machen und habe daher genau das Gegenteil versucht: so simpel wie möglich zu backen, nur aus Mehl, Wasser und Meersalz etwas Köstliches zu machen. Ich habe also mit Sauerteig begonnen und ein paar Jahre damit experimentiert. Das hat super funktioniert. Dann habe ich mich irgendwann gefragt: Wie kann ich das noch mehr reduzieren? Und die einfache Antwort war: nicht im elektrischen Ofen backen, sondern mit Holz. Ich habe daraufhin in meiner eigenen Bäckerei einen Holzofen gebaut.

„ ICH WOLLTE MEIN EIGENES DING MACHEN UND HABE VERSUCHT, SO SIMPEL WIE MÖGLICH ZU BACKEN.“

Tom Herbert

In deinem Buch geht es nicht ums Backen im Holzofen, sondern ums Backen draußen, am offenen Feuer, in der Glut. Was ist daran so toll?
Es eröffnet dir eine völlig neue Art zu backen – es befreit dich von der Tyrannei der Maße, des Wiegens, der Genauigkeit. In England gibt es eine Fernsehshow, „The Great British Bake Off“. Sie hat Heimbacken äußerst beliebt gemacht, und das ist super, aber sie hat auch etwas sehr Kompetitives, es geht um Genauigkeit, um Präzision. Das ist sehr weit weg von dem, was ich am Backen liebe: dass Brot die Fähigkeit hat, Menschen zusammenzubringen, unser Leben besser, entspannter zu machen. Natürlich ist Backen eine Wissenschaft, aber es kann auch einfach nur Freude machen, entspannen,ernähren – dieser Aspekt des Backens verdient meiner Meinung nach viel mehr Aufmerksamkeit und Respekt. Brot muss nicht immer beeindruckend oder besonders oder protzig sein. Backen kann bescheiden sein, es muss nicht unsere ganze Aufmerksamkeit beanspruchen, sondern uns einfach mit Menschen zusammenbringen – uns gemeinsam essen und lachen lassen.

Was bringt denn das Feuer für den Geschmack?
Zuerst einmal isst du Brot aus dem Feuer meist total frisch, wenn es aus der Hitze kommt. Das ist bereits etwas Besonderes. Außerdem gibt ihm das Feuer eine gewisse verführerische Qualität. Im Buch gibt es ein Rezept für ein Brot, das in der Glut gebacken wird, der Teig kommt direkt auf die heißen Kohlen. Du glaubst am Anfang nicht, dass das funktionieren kann, aber durch die Hitze bildet sich eine wunderbare Kruste, und die Asche lässt sich nachher einfach abschütteln. Das Brot würde keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, aber wenn du es frisch aus dem Feuer aufbrichst und der Dampf entweicht, ist das magisch – jeder sollte das erleben! So ein Brot wärmt uns im bestmöglichen Sinn. Genau das möchte ich mit dem Buch erreichen: Es soll eine Einladung sein zu einer neuen Art des Backens – eine Einladung, hinauszugehen mit deinen Kindern und Freunden und Erinnerungen zu backen. Das Ergebnis muss nicht perfekt sein, aber es wird ganz sicher ein denkwürdiges Erlebnis.

Hat das Backen draußen auch deine Art, drinnen zu backen, verändert?
Und wie! Ich benutze die Rezepte immer und überall, vor allem die Sauerteig-Fladen! Ich arbeite gerade an einem Projekt, bei dem wir in einem Schiffscontainer eine ganze funktionierende Küche einbauen
und dort Pop-up-Dinner veranstalten, die Köche und Bäcker sind alle Jugendliche, die Probleme mit der Polizei hatten. Bei jedem dieser Essen backen wir die Fladen. Und ich bin Botschafter für eine NGO namens Tearfund. Ich habe die Lagerfeuer-Churros mit Mädchen in Laos gebacken oder die Donuts in den Favelas von Rio. Das ist der Spirit von Wild Baking: Benutze, was du hast, mach etwas mit dem geringsten Aufwand.

Du schreibst in deinem Buch, dass du unbedingt einmal im Weltall backen willst. Ist das nicht ein bisschen zu weit draußen?
Ich bin in den 80ern aufgewachsen, da ging es ständig um Raumschiffe, ums Weltall. Ich denke mir, das wäre super spannend: wie Brot wohl in der Schwerelosigkeit aufgeht? Wenn Elon Musk oder sonst jemand ihre Crew für den Mars zusammenstellen, brauchen sie bestimmt einen Bäcker. Also hab ich das ins Buch geschrieben. Damit sie wissen: Ich bin bereit!

„ BACKEN KANN BESCHEIDEN SEIN, UND UNS EINFACH MIT MENSCHEN ZUSAMMENBRINGEN – UNS GEMEINSAM ESSEN UND LACHEN LASSEN.“

Tom Herbert

SAUERTEIGFLADEN-REZEPT

4 Tassen Weizenmehl oder Weizenvollkornmehl, plus ein wenig mehr zum Bestäuben der Fladen / eine ordentliche Prise Salz / 280 g frischer Sauerteig (selbst angesetzt oder aus einer Mischung gemacht) /alternativ: 10 g frische Backhefe / 250 ml Wasser, über dem Feuer auf Körpertemperatur erwärmt

Das Feuer anzünden. Während es brennt, den Teig zubereiten.

Alle Zutaten in einer Schüssel mit den Händen zusammen mischen. 15 Minuten kneten, bis der Teig elastisch ist und sich seidig anfühlt. Wenn nötig, mehr Mehl/Wasser hinzufügen.
Abdecken (eine Duschhaube eignet sich hervorragend!) und an einem warmen Ort, etwa in der Nähe des Feuers, eine knappe Stunde gehen lassen.

Während der Teig geht, ein Bett aus heißen Kohlen vorbereiten. Je größer die Kohlen, desto weniger Staub wird nachher auf den Fladen sein.

Ein etwa zwetschkengroßes Stück Teig abreißen und mit bemehlten Händen erst zu einer Kugel, dann zu einer möglichst runden Flade formen. Vorsichtig und langsam so rund und dünn wie möglich ausziehen, wie eine kleine Pizza. Sollte der Teig reißen, das Loch einfach wieder zusammendrücken. Wiederholen, bis der ganze Teig aufgebraucht ist.

Je zwei Fladen vorsichtig direkt auf die heißen Kohlen legen und zusehen, wie sie aufgehen. Wenn der Teig unten goldbraun ist – nach etwa drei bis fünf Minuten – mit einer Zange
umdrehen und auf anderen Seite backen. Mit einem Ast oder Taschenmesser etwaige Kohlestücke entfernen, die an den Fladen kleben. Die fertigen Fladen in einem Geschirrtuch oder
auf einem Stück Holz über dem Feuer warmhalten und möglichst schnell genießen.

Tom Herbert

SIE KÖNNEN DEN TEIG AUCH SCHON ZU HAUSE VORBEREITEN UND LANGSAM VERGÄREN LASSEN. NEHMEN SIE IHN IN EINEM PLASTIKCONTAINER MIT, KNETEN IHN EINMAL DURCH UND WARTEN VOR DEM BACKEN, BIS ER SICH EINMAL VERDOPPELT HAT.

Tom Herbert