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Des Krapfens Seele

Des Krapfens Seele

Auf den Spuren der Kittseer Marillen.

Es gibt natürlich viele Gründe, warum die Krapfen von Ströck bei Verkostungen immer ganz vorn mit dabei sind. Ein Grund sind die köstlichen Marillen für die Marmelade. Die kommen wie die Familie aus Kittsee.
TEXT TOBIAS MÜLLER & FOTOS LUKAS LORENZ

Die Geschichte der Kittseer Marille beginnt mit einer unbezahlten Rechnung. Weil ein Baumschulbesitzer kein Geld hatte, um für seinen Kittseer Weizen zu bezahlen, bot er dem Bauern stattdessen Marillenbäume an. Dieser stimmte murrend zu und pflanzte die Setzlinge ein. Als diese prächtig gediehen und ganz ungewöhnlich schmackhafte Früchte trugen, folgten andere dem Beispiel und pflanzten ebenfalls Marillen aus. Das war in den frühen 1920er-Jahren. Heute ist Kittsee im Burgenland mit mehr
als 100.000 Bäumen die größte Marillengemeinde Österreichs.

In den vergangenen 100 Jahren hat sich gezeigt: Kittsee ist der perfekte Ort für die Marille. Der Boden hier ist fruchtbar und das Klima mild, die pannonische Sonne lässt besonders aromatische Früchte reifen, die es locker mit der Konkurrenz aus der Wachau aufnehmen können. Angebaut wird vor allem die Sorte Ungarische Beste, die im 19. Jahrhundert in Enyed in Ungarn zufällig entdeckt und für so gut befunden wurde, dass sie ihren stolzen Namen bekam.

Sie ist herrlich süß-sauer und hat ein feines Marillenaroma, das sich erst nach dem Kochen so richtig entwickelt. Außerdem enthält sie jede Menge Pektin, jenen Stoff, der Marmelade gut gelieren lässt – kein Wunder also, dass die Kittseer Marille bald das Interesse von Marmeladeproduzenten weckte. Ihr Ruf drang bis nach Osttirol: Bereits in den 1960er-Jahren siedelte sich die Firma Unterweger aus Asling hier an – seither sind sie die wichtigsten Partner der Marillenbauern und veredeln alljährlich einen Großteil der Früchte.

Rainer Roth ist einer der jüngsten Marillenbauern Kittsees und stolzer Besitzer von 600 Bäumen. Seine vollreifen Früchte landen teilweise in den Krapfen von Ströck.

JOHANN STRÖCK WURDE ETWA ZU DERSELBEN ZEIT IN KITTSEE GEBOREN, ALS DIE ERSTEN MARILLENBÄUME GEPFLANZT WURDEN.

Ein kleiner Familienacker

Johann Ströck, der Firmengründer der Bäckerei Ströck, wurde ungefähr zu derselben Zeit in Kittsee geboren, als auch die ersten Marillenbäume hier ausgepflanzt wurden – er war hier Bäckermeister, bevor er 1970 mit seiner Familie nach Wien übersiedelte. Für Bäckermeister Gerhard Ströck und seinen Sohn Philipp ist es daher selbstverständlich, für ihre berühmten Krapfen nur Marmelade aus Kittseer Marillen zu verwenden. Bis heute haben die Ströcks schließlich selbst einen kleinen „Marillenacker“ in Kittsee und sind gut vernetzt und beliebt im Ort.

„Klar kenn ich den Gerhard“, sagt etwa Rainer Roth, einer der jüngsten Marillenbauern im Ort. So wie jede Familie hatte auch seine einige Bäume, in den vergangenen fünf Jahren aber hat er aus den ursprünglich 50 nun 600 gemacht. „Wenn du aus Kittsee kommst, hast du die Marille im Blut“, sagt er. Die meiste Zeit des Jahres kümmert er sich allein um die Bäume – „aber wenn die Erntezeit kommt, dann helfen Freunde und Familie alle mit – weil allein schaffst du da gar nichts“, sagt er. Er genießt die Marillen am liebsten vollreif und frisch vom Baum oder aber in den köstlichen Krapfen von Ströck. „Die sind die allerbesten“, sagt er. Nicht nur, aber auch wegen der Marmelade.