In Wien und Linz kennt man Helmut Gragger als edlen Holzofenbäcker. Aber der Oberösterreicher hat auch einen bahnbrechenden Brotbackofen für Schwellenländer entwickelt, der mit Erfolg in Afrika eingesetzt wird. Nächstes Projekt: ein Ofen, der nur mit Sonnenkraft bäckt.
TEXT SEVERIN CORTI
FOTOS : GRAGGER SOCIAL BUSINESS , CARITAS KÄRNTEN / DANIEL GOLLNER
Helmut Gragger macht hervorragendes Brot, und er kennt sich auch beim Ofenbau außerordentlich gut aus. Der erste Ofen des renommierten Bäckers steht in der Keimzelle seines Unternehmens, der Bäckerei in Ansfelden, ein anderer in seiner Filiale im Herzen der Wiener Innenstadt. Da werden feinste Handsemmeln, lange geführtes Sauerteigbrot und Graggers weithin berühmte Butter-Salzstangerl gebacken, für die sich die richtig gute Kundschaft gern einmal ein wenig länger anstellt. Und dann gibt es die anderen Gragger-Öfen. Die stehen in Warang und in Enampore im Senegal, sie stehen in Uganda und im Kongo und demnächst auch in Nigeria, wo Gragger ein Projekt mit der Godfrey-Okoye-Universität
am Laufen hat.
„Der Energieanteil ist bei den Entstehungskosten von Brot gerade in Schwellenländern oft extrem hoch“, erklärt Gragger seine Motivation, einen besonders nachhaltigen, mit Abfällen aus der Landwirtschaft zu befeuernden Ofen zu entwickeln. Zudem mache in manchen Ländern Afrikas „die Energie 35 Prozent und mehr der Produktionskosten aus – das ist enorm viel, und in Zeiten wie diesen, wo die Energiekosten für uns alle stark steigen werden, erst recht.“
Damit Brot gerade für die Ärmsten auch weiterhin ein leistbares Grundnahrungsmittel bleiben kann, müssen also vor allem die Energiekosten runter. Gemeinsam mit seinem Freund Markus Luger, einem Unternehmer, der in Wien etwa das legendäre Flex, aber auch das Einrichtungshaus Das Möbel mitgegründet hat, entwickelte er einen Ofen, der sich mit selbstgepressten Briketts aus landwirtschaftlichen Abfällen beheizen lässt, mit Sägemehl ebenso wie mit Erdnussschalen, mit Getreidestroh oder Kuhdung.
„Das sind Materialien, die es gratis gibt, die Abfall sind.“ 35 Prozent Energiekosten können mittels Gragger-Öfen auf fünf Prozent heruntergefahren werden. „So arbeiten unsere Mikrobäckereien auf einmal kostengünstiger als die Riesenbetriebe, die auch in Afrika für den Niedergang lokaler Kleinbäckereien verantwortlich sind.
Der erste Ofen wurde für ein Entwicklungsprojekt der Evangelischen Kirche Linz in Senegal gebaut. „Das war extrem wichtig, weil wir damit zeigen konnten, dass unsere Idee sich problemlos umsetzen lässt.“ So konnte Wolfgang Scheidl von der Caritas und in der Folge die Austrian Development Agency (ADA) mit an Bord geholt und weitere Projekte realisiert werden. „In Afrika sind wir inzwischen in vier Ländern aktiv, außerdem in Serbien und Albanien“, sagt Gragger. Und in Bangkok, wo mit einem baugleichen Ofen allerdings eine Bäckerei befeuert wird, die Brot nach bester österreichischer Art für die Expats der Millionenmetropole bäckt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Mittlerweile werden mit Graggers Öfen in Senegal, Uganda, im Kongo und demnächst in Nigeria jeden Tag etliche Tonnen Brot gebacken – mit extrem geringem Energieeinsatz. Sie werden mit Briketts aus landwirtschaftlichen Abfällen (in den Säcken unten links) beheizt.
Uni als Partner
„Als Bäcker mache ich mich in Afrika nicht wichtig, da geht es um die Deckung von Grundbedürfnissen, nicht um die bestmögliche Form des Brotes“, sagt Gragger, „wobei: Die Technik des Backens mit Sauerteig habe ich sehr wohl eingeführt.“ Nicht nur weil das Brot damit unvergleichlich besser schmecke als mit Hefe oder anderen Triebmitteln, „sondern weil es länger frisch hält. Die Menschen können es so bis in ihre Dörfer transportieren – wo es auch am nächsten Tag noch gut schmeckt – und so weiterverkaufen“. Das seien Vorteile guten Sauerteigbrotes, die einem erst im Busch so richtig bewusst würden.
ENERGIE MACHT IN AFRIKA BIS ZU 35 PROZENT DER PRODUKTIONSKOSTEN VON BROT AUS. MIT GRAGGERS ÖFEN SIND ES BLOSS FÜNF PROZENT.
Für die Bäckerei in Nigeria hat er mit Projektleiter Matthias Gebauer binnen kürzester Zeit 500.000 Euro aufgestellt – via Crowdfunding. Aber die abfallbefeuerten Brotbacköfen sind für Gragger nur ein Zwischenschritt zu seinem eigentlichen Ziel: „Ein Brotbackofen, der ausschließlich mit Sonnenkraft betrieben wird.“ Was für Laien einigermaßen utopisch klingt, entsteht gerade im Mühlviertel ganz real: „Wir bauen im Herbst einen Prototyp, um zu zeigen, dass es geht. Der soll dann mit einem Partner aus der
Industrie in großem Stil gebaut werden.“
Wie man sich das vorstellen kann?
Ein 150-Quadratmeter-Parabolspiegel bündelt das Sonnenlicht und erhitzt damit Thermoöl, das die Energie in der Folge an einen Speicher abgibt. „So können wir je nach Region pro Tag 400 kWh erzeugen, die in der Nacht fürs Backen verwendet werden können.“ In Brot übersetzt, ist das genug, um bis zu eine Tonne Brot zu backen, jeden Tag, nur aus der Kraft der Sonne. Die Märkte für so einen Ofen wären nicht bloß auf Afrika beschränkt, das weiß auch Helmut Gragger: „Mit dem Klimawandel ist das auch in Spanien hochinteressant, in weiten Teilen des Mittleren Ostens – und in Südamerika.“
Was, wie man als Reisender weiß, alles Gegenden sind, wo die Kulinarik aus Sauerteigbrot einen enormen Profit ziehen könnte.