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Wo die wilden Körner wachsen

Wo die wilden Körner wachsen

Schlägler Roggen, eine fast vergessene Sorte, sorgt für ganz besonders wohlschmeckendes Brot.

Der Schlägler Roggen ist Österreichs älteste Roggensorte – und er ist nicht ganz einfach zu verbacken. Wer sich aber, so wie die Ströcks, auf ihn einlässt, wird mit einem ganz besonderen Brot belohnt.

TEXT TOBIAS MÜLLER & FOTOS BIOKOMPETENZZENTRUM

Vier Jahre hat es gedauert, aber jetzt ist Philipp Ströck begeistert: „Den Geschmack kannst du gar nicht vergleichen“, sagt der Bäckermeister, „viel abwechslungsreicher, aufregender, intensiver. Und das Brot bleibt auch noch einmal zwei Tage länger frisch.“ Was ihn so ins Schwärmen bringt, ist das Bio-Ur-Roggenbrot, das die Ströcks aus Schlägler Roggen backen, der ältesten in Österreich registrierten Roggensorte. Alte Roggensorten wie der Schlägler unterscheiden sich in einem Punkt deutlich von modernen: Sie haben eine viel höhere Enzymaktivität, wie der Bäcker sagt.

Roggenkörner neigen dazu, bereits vor der Ernte zu keimen. Sie treiben zwar nicht aus, wachen aber sozusagen bereits auf: Die Enzyme, die später die Stärke im Korn in Zucker zerlegen, damit die Pflanze wachsen kann, sind in ihnen bereits aktiv, wenn sie zu Mehl gemahlen werden..

Das sorgt einerseits dafür, dass Roggenmehl nach so viel schmeckt, weil dabei auch jede Menge Aromastoffe entstehen. Es bedeutet aber auch, dass Roggenmehl sehr aktiv und lebendig ist – ein wenig wie ein äußerst lebhaftes Kind. Der Bäcker muss daher besser aufpassen und all sein Können aufbieten, um den Teig unter Kontrolle zu halten: Ein guter Sauerteig, genaue Temperaturkontrolle und mitunter viel Handarbeit sind nötig, damit aus den wilden Körnern ein gutes Brot wird.

Um sie leichter backbar zu machen, wurden moderne Roggensorten so gezüchtet, dass sie weniger Enzymaktivität haben – und damit, ist Philipp Ströck überzeugt, leider auch nicht mehr den gleichen, wunderbaren Geschmack. Die Ströcks wollten sich damit nicht mehr abfinden und machten sich auf die Suche nach Alternativen.

Gemeinsam mit ihrem Müller suchten sie 2016 in einer Datenbank nach den ältesten noch registrierten österreichischen Roggensorten und bauten mehrere davon versuchsweise an. Nach zwei Jahren Feldversuchen stand fest, dass der Schlägler der beste Roggen für sie ist.

Seit über 100 Jahren registriert

Schlägler Roggen wurde einst vom Stift Schlägl im Mühlviertel, einem traditionellen Roggenanbaugebiet, gezüchtet. Seit 1908 ist er im österreichischen Sortenbuch eingetragen, verlor aber in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung – vor allem wegen moderner Sorten, die viel höhere Erträge bringen. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau kümmerte sich aber weiterhin um seine Erhaltung und sorgte dafür, dass er nicht ganz verlorenging.

ALTE SORTEN WIE DER SCHLÄGLER ROGGEN BIETEN MEHR GESCHMACK, SIND ABER SCHWIERIGER ZU VERBACKEN.

Mittlerweile wird er für die Ströcks wieder in größeren Mengen angebaut. Das macht viel Mühe und kostet mehr Geld, aber die Ströcks sind überzeugt, dass es sich auszahlt. Ihre Kunden geben ihnen recht: Das Bio-Ur-Roggenbrot aus Schlägler Roggen ist so gefragt, dass die Ernte meist nicht ausreicht, um die Nachfrage zu befriedigen – ein paar Wochen im Sommer gibt es das Brot meist nicht. Ein guter Grund, sich auf den Herbst zu freuen.

Getreideernte wie früher: Altbauern in Schlägl ernten eine kleine Fläche Roggen mit der Sense und binden die Ähren zu Büscheln.