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Wien – Torino und retour

Wien – Torino und retour

Auch Bäcker profitieren von internationalen Beziehungen – wie die Ströcks von einer kleinen Turiner Bäckerei lernten, einen richtig guten Panettone zu backen.

TEXT TOBIAS MÜLLER & FOTOS MASSIMILIANO VAIRO – R&D BY MAILANDER

Die Geschichte des Feierabend-Panettone beginnt mit einem Spaziergang in Turin. Gerhard Ströck verbrachte ein paar Tage mit seinem Sohn Philipp in der Stadt, und als die beiden durch eine schmale Gasse in der Innenstadt schlenderten, sahen sie in der Auslage einer kleinen Bäckerei einen prächtigen Panettone, den traditionellen italienischen Weihnachtskuchen. „Ich habe ihn gekostet, und er war wunderbar“, sagt Gerhard Ströck. „Ich habe mich geärgert, dass wir so etwas nicht zusammengebracht haben, und wir sind ins Gespräch gekommen.“

Die kleine Bäckerei war PerinoVesco, der Laden von Chiara Vesco und Andrea Perino, einem jungen Bäckerehepaar, das erst wenige Jahre zuvor sein eigenes Geschäft eröffnet hatte. Sie merkten schnell, dass es den Ströcks höchst ernst war mit der Qualität des Panettones. Gemeinsam mit seinem Entwicklungsbäcker Pierre Reboul reiste Gerhard später erneut nach Turin, gemeinsam verbrachten sie zwei Tage und Nächte fast durchgehend in der Backstube, um die Kunst des Fertigen eines solchen Kuchens zu erlernen.

Der Mount Everest der Backkunst

Der Panettone gilt vielen Bäckern als eine Art Mount Everest der Backkunst: Er enthält ähnlich viel Butter und Zucker wie manches Brioche, soll aber luftig und leicht sein wie ein Hefebrot – und das, obwohl er gar keine Hefe, sondern nur Sauerteig enthält. Um dieses Wunder zu erreichen, braucht es jede Menge Zeit, Erfahrung – und ein paar spezielle Techniken und Tricks.

Chiara und Andrea verwenden für ihren Panettone jene Methode, die in Süditalien üblich ist: Der Teig darf dabei mindestens einen Tag in Wasser schwimmend reifen – das hält seine Temperatur konstant, schützt ihn vor zu viel Sauerstoff und lässt ihn ganz langsam gären. Er wird insgesamt drei Mal mit frischem Sauerteig gemischt, bevor am nächsten Tag die anderen Zutaten – Butter, Zucker, getrocknete Früchte – in zwei Durchgängen nach und nach zugegeben werden.

Chiara Vesco und Andrea Perino arbeiten in ihrer Turiner Bäckerei gern mit alten Getreidesorten und machen selbst die Grissini von Hand.

Schritt für Schritt zur Luftigkeit

Dieses schrittweise Mischen soll der Hefe im Sauerteig helfen, sich an die Butter und den Zucker zu gewöhnen, damit sie trotz des ungewohnten Futters den Teig herrlich aufgehen lässt. „Der Sauerteig ist der Dirigent, der dafür sorgt, dass alle anderen Zutaten miteinander harmonieren“, sagt Andrea dazu. „Es war beeindruckend, wie großzügig Chiara und Andrea ihre Backstube geöffnet und uns alles gezeigt haben“, sagt Gerhard Ströck.

Nach dem Besuch in Turin zeigten sich die Ströcks natürlich erkenntlich und luden ihrerseits Chiara und Andrea nach Wien ein. Die zwei waren fasziniert, vor allem davon, wie souverän die Ströcks im Umgang mit Roggenbrot sind. „Ich glaube wirklich, dass der liebe Gott seine Hand im Spiel hatte, dass wir uns kennengelernt haben“, sagt Andrea. „Ich kenne nur wenige Menschen, die so engagiert ihre Arbeit tun.“

Die Ströcks und PerinoVesco haben tatsächlich einiges gemeinsam. In der Backstube in Turin werden so viele Bio-Rohstoffe wie möglich verwendet, Andrea und Chiara legen großen Wert darauf, dass ihre Mehle nicht behandelt worden sind. Und sie interessieren sich besonders für alte Getreidesorten, die sie aus ganz Italien beziehen. „Wir haben uns in alte Sorten verliebt, weil sie noch weniger von Menschen verändert sind und ganz spezielle Eigenschaften haben, sei es ihr Duft, ihr Nährwert oder eine gute Verdaulichkeit“, sagt Andrea.

Derzeit arbeiten die beiden etwa mit Roggen aus der Lombardei, Dinkel aus Sizilien oder dem Hartweizen Saragolla aus den Marken. Besonders stolz sind sie auf ihr Pane Felice, das „glückliche Brot“, das aus fast all den verschiedenen Sorten besteht, die sie verbacken. „Das Brot ist wie ein Strauß aus ganz vielen verschiedenen Blumen, die zu etwas Neuem, Einzigartigem kombiniert werden“, sagt Andrea. „Es erzählt viel über den Geschmack, das Aroma und die Geschichte des Landes.“

Und so wie Gerhard Ströck einmal klein begonnen und danach stetig expandiert hat, will auch PerinoVesco nachhaltig wachsen. Als sie vor 13 Jahren ihren ersten Laden in der Turiner Altstadt eröffneten, standen nur die beiden im Laden. Heute arbeiten bereits bis zu 25 Leute in der Bäckerei mit. Die beiden Familien werden ziemlich sicher in Kontakt bleiben – und hoffentlich immer wieder dabei helfen, ihre eigenen Ziele zu erreichen. Reboul etwa hat die Panettone-Technik übernommen und stellt nun einen sehr ähnlichen Panettone her, der in den Ströck-Feierabend-Bäckereien in Wien-Landstraße und auf der Rotenturmstraße verkauft wird.

Panettone enthält ähnlich viel Hefe und Zucker wie ein Brioche, ist aber luftig und leicht wie ein gutes Weizenbrot. Um dieses Wunder zu vollbringen, braucht es jede Menge Erfahrung – und ein paar Tricks.

Panettone enthält ähnlich viel Hefe und Zucker wie ein Brioche, ist aber luftig und leicht wie ein gutes Weizenbrot. Um dieses Wunder zu vollbringen, braucht es jede Menge Erfahrung – und ein paar Tricks.