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Und jedem Backen wohnt ein Zauber inne

Und jedem Backen wohnt ein Zauber inne

Im Holzbackofen des Ströck-Stammhauses in Kittsee wird zauberhaft gut gebacken.

Es dauert ewig lange, braucht viel Übung und macht sehr viel Arbeit, in einem Holzofen gutes Brot zu backen. Warum die Ströcks sich das im 21. Jahrhundert trotzdem antun? Weil Holzöfen magisch sind – und das Kittseer Bio-Holzofenbrot ganz unglaublich gut schmeckt.

Eine Nacht lang muss vorgeheizt werden, erst dann, wenn die Steinplatte die richtige Temperatur erreicht hat, kann Ströck- Entwicklungsbäcker Pierre Reboul die ersten Laibe in den Kittseer Holzofen einschießen.

Wenn Pierre Reboul über seine Arbeit mit dem Kittseer Holzofen redet, klingt das ein bisschen so, als wäre er nicht Bäcker, sondern ein buddhistischer Mönch. Er erzählt einem dann, wie im Grunde alles eins ist, weil alle Energie von der Sonne kommt: Sie lässt das Getreide auf den Feldern rund um Kittsee wachsen, und ihre Energie, die Hitze, ist es auch, die er freisetzt, wenn er Holzscheite verbrennt, die den Ofen heizen.

Und er beschreibt das Holzofenbacken als „Gemeinschaft aus Mensch, Feuer und Ofen, eine Art Tanz“, bei dem alles zusammenpassen muss und sich nicht erzwingen lässt: Wenn der Ofen zu heiß wird, kann er ihn nicht einfach kühlen. Wenn er zu kalt ist, bleibt dem Bäcker nichts anderes, als zu warten. „So zu backen – für mich ist das wie für andere meditieren“, sagt Reboul. „Es hat etwas unglaublich Beruhigendes. Wenn ich hierherkomme, bin ich in einer ganz anderen Welt.“

Reboul ist Entwicklungsbäcker der Bäckerei Ströck, vor zwei Jahren hat er eine ganz besondere Aufgabe dazubekommen: Einmal die Woche fährt er nach Kittsee, gleich an der burgenländisch-slowakischen Grenze, und bäckt hier Holzofenbrot – und zwar in jenem Ofen jenes barocken Hauses, in dem schon die Vorfahren der Ströcks vor 170 Jahren Brot gebacken haben.

In den 1850er-Jahren kam ein gewisser Johann Michael Hüttlinger hierher, ein Bäcker aus Schwabach im heutigen Deutschland, und arbeitete in dem Haus als Leibeigener der Esterházys. Seine Kinder sollten später zwei Töchter der Kittseer Familie Ströck heiraten. Bis in die 1960er-Jahre wurde in dem Haus noch gebacken, dann verfiel es zusehends. Gerhard Ströck, der aktuelle Seniorchef, kaufte das denkmalgeschützte Haus 2020 und richtete es wieder komplett her. Für den Holzofen hat er den in ganz Österreich einzigen Restaurator engagiert, der auf alte Öfen spezialisiert ist. Seit 2022 lodern hier nun wieder die Flammen – und Reboul ist ihr Herr und Meister.

Er fährt jeden Donnerstag nach der Arbeit in der Wiener Backstube hinaus nach Kittsee. Wenn er gegen Mittag hier ankommt, hat ein Helfer bereits ein paar Stunden vorher die ersten Scheite in die Brennkammern des Ofens geschlichtet und angezündet. Reboul wird nun den Rest der Nacht immer wieder nachlegen, zuerst alle halben Stunden, dann etwas seltener. Es dauert etwa acht Stunden, bis die Steinplatte, auf der gebacken wird, die gewünschte Temperatur erreicht hat.

16 Stunden backen

In den frühen Freitagmorgenstunden ist es dann so weit: Reboul schießt die ersten Brote ein. Über die nächsten 16 Stunden wird er insgesamt vier bis fünf Runden backen und dazwischen noch zweimal Feuer machen, um den Ofen wieder auf die perfekte Temperatur zu bringen. „Ich schlafe kaum, wenn ich hier bin“, sagt er, „und fühle mich trotzdem immer richtig gut.“

Wieso sich jemand das im 21. Jahrhundert noch antut? In einer Zeit, in der Backöfen auf Knopfdruck die perfekte Temperatur erreichen können und dank Triebmitteln mitunter weniger als zwei Stunden vom Teigmischen bis zum fertigen Brot vergehen? Weil dem Backen im Holzofen ein ganz besonderer Zauber innewohnt – und das Ergebnis einfach unvergleichlich schmeckt.

Bis zu 70 Stunden dauert es, bis aus dem frisch gemischten Teig das fertig gebackene Kittseer Bio-Holzofenbrot wird.


Holzöfen gibt es schon fast so lange, wie Menschen sesshaft sind. Die ersten dürften ausgekleidete Erdgruben gewesen sein, auf deren Grund ein Feuer entzündet und abgebrannt wurde, die Brote – meist Teigfladen aus unvergorenem Mehl – wurden dann direkt an die heißen Wände geklatscht. Bis heute ist diese Art zu backen in weiten Teilen Asiens üblich – das berühmteste Beispiel ist wahrscheinlich der zwischen Syrien und dem indischen Subkontinent weitverbreitete Tandoori-Ofen.

Die alten Ägypter waren dann die Ersten, die vor 3.000 Jahren begannen, Sauerteigbrot zu backen – in gemauerten Holzöfen, die modernen Varianten schon ziemlich ähnlich waren. Seither sind nur noch Details verändert worden. „Das ist ja ein Teil des Reizes“, sagt Reboul, „das ist Backen wie vor Tausenden Jahren, ein Prozess, aufs Wesentliche reduziert. Feuer, Stein, Brot, das war’s.“

Trotz des technischen Fortschritts sind Holzöfen nie ganz verschwunden. In den vergangenen Jahrzehnten haben sie, im Gegenteil, eine kleine Renaissance erlebt – nicht nur bei Liebhabern, sondern auch in kommerziellen Bäckereien. Die legendäre Bäckerei Poilâne in Paris etwa hat es mit ihrem nur im Holzofen gebackenen Brot zu Weltruhm gebracht und verkauft nicht nur in Paris, sondern schickt ihre Laibe jeden Tag in der Früh per Flieger an Liebhaber von L.A. bis Dubai – der Poilâne’sche Holzofen war auch direktes Vorbild beim Umbau des Ströck’schen Ofens in Kittsee.

Von Tiefkühlcroissants zum Holzofen

Und in der Schweiz bäckt ausgerechnet Fredy Hiestand seit ein paar Jahren ausschließlich im Holzofen –einer der größten Bäcker des Landes, der vom Discount-Supermarkt bis zum Luxushotel eine Vielzahl an Kunden beliefert und einst als „Gipfelikönig“ und Erfinder des Tiefkühlcroissants berühmt geworden ist.

Während viele Bäcker aufgrund der hohen Gaspreise in den vergangenen Jahren zitterten, buk Hiestand zum gleichen Preis wie immer weiter. Wer die alte Bäckerei in Kittsee betritt, versteht sofort, warum Menschen nicht vom Holzofen lassen können – der ganze Ort ist magisch. Die Backstube erinnert optisch ein wenig an ein Kloster: Die steinernen Fußböden, die alten, dicken und weiß gekalkten Wände, die schrägen Gewölbe, die Naturholzgestelle, auf denen die Brote rasten und die Ofenschaufeln liegen, die uralte große Mehltruhe – sie alle strahlen die Ruhe und Gelassenheit von vielen Jahrhunderten Erfahrung aus und sind so schön, dass man jede Oberfläche unwillkürlich streicheln möchte.

Es duftet sanft nach warmen Steinen, Holz und Brot. Die sonst oft harsche pannonische Sonne wird von den kleinen Fenstern in den tiefen Nischen besänftigt und lässt alles in natürlichem Zwielicht leuchten.

14 Tonnen Hitzespeicher

Der Ofen selbst sieht zunächst ein wenig unscheinbar aus – wie bei einem Eisberg sieht man den Großteil nämlich nicht. Hinter der verfliesten Wand mit drei kleinen eisernen Türen liegen zwei Brennkammern, in denen die Flammen lodern, und ein 2 m langer Backraum mit insgesamt vier Quadratmetern und Platz für 40 kg Brot. Darunter und darüber sind insgesamt 14 Tonnen Schamott verbaut, die die Hitze des Holzes aufnehmen und speichern – das Gewicht von etwa vier ausgewachsenen afrikanischen Elefanten. Der behäbige Koloss aus Stein und Eisen gibt dem Brot einen Geschmack, den ein moderner Ofen bei all seinen zahllosen Vorteilen – Effizienz! Einfachheit! – einfach nicht hinbekommt.

Das liegt nicht nur an der schönen Geschichte dahinter, sondern hat auch handfeste physikalische Gründe. Beim Backen wird Hitze nämlich auf gleich drei verschiedene Arten übertragen: über die Oberfläche, auf der das Brot liegt (Konduktion), durch die heiße Luft, die im Ofen zirkuliert (Konvektion) und als Strahlung von den heißen Wänden (Wärmestrahlung, die gleiche Hitze, die auch beim Grillen wichtig ist).

Die Konvektion ist bei einem Holzofen weniger intensiv als in einem modernen Backofen, die Konduktion und die Wärmestrahlung sind dafür viel kräftiger – das gibt dem Brot die charakteristische dicke, resche Kruste. Aktuell überlegen Reboul und Gerhard Ströck, wie sie die Kittseer Backstube, das Stammhaus der Ströcks, mehreren Menschen zugänglich machen können. Gerhard spielt mit dem Gedanken, ein Getreide-Kompetenzzentrum samt Kaffeerestaurant einzurichten, wo Besucher lernen können, wie aus der Kraft der pannonischen Sonne knuspriges Brot wird. Und, ganz wichtig, es soll eines nicht allzu fernen Tages Backkurse geben, auch und vor allem für Kinder – damit auch die nächste Generation die Magie des Holzofens erleben kann.