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Klug wie Brot

Klug wie Brot

Die Kolumne über die Wissenschaft des Backens. Wie gut ist Tiefkühlbrot?

Warum Broteinfrieren nicht schlecht ist. Im Gegenteil.

Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Wirklich gutes Brot ist nur jenes, das dank langer Teigführung und nächtlicher Sorgfalt der Damen und Herren Meisterbäcker frisch aus dem Backofen kommt, unwiderstehlich knusprig, mit lockerer Krume und einem Duft, der in der Glückseligkeitsskala
des abendländischen Menschen ziemlich ganz weit oben steht.

Brot aus dem Tiefkühler hingegen hat gemeinhin ein schlechtes Image: vorproduziert, der Bequemlichkeit des Bäckers ebenso verpflichtet wie jener des Konsumenten, oft mit mehr oder weniger künstlichen Dopingmitteln versehen, damit der Teig den Kälteschock auch übersteht, alles in allem eindeutig weniger
begehrenswert als ganz frisch Gebackenes. Bei näherer Betrachtung stellt sich die Sache aber wie so oft differenzierter dar.

Es ist ein Irrglaube, dass Brot nur mithilfe von chemischen Hilfsmitteln gut tiefgekühlt
und wieder aufgetaut werden kann. „Gutes, naturbelassenes langzeitgeführtes Brot kann perfekt tiefgefroren werden, solangees nur durchgebacken wurde“, sagt Ströck- Bäcker Pierre Reboul – Tiefkühlbrot braucht keinerlei Zusätze.

Einmal gefrorenes Brot ist oft sogar besser als solches, das nie im Tiefkühler gelandet
ist, etwa in puncto Knusprigkeit. „Es mag aufs Erste paradox wirken“, sagt Reboul, „aber
durch Schockfrieren und darauffolgendes, nochmaliges Backen entsteht eine besonders
köstliche, knusprige und kraftvolle Kruste, die wir ansonsten nicht so schön hinbekommen.“

Wichtig ist, dass die Stärke im Mehl fertig gegart ist, bevor es in den Schockfroster
kommt: „Dann hat die Hefe ihr Wunderwerk der Verwandlung vollbracht, das Wasser ist
vollständig aufgenommen worden, beim Frieren entstehen keine Eiskristalle, die die
Krume ruinieren könnten“, sagt Reboul. Der zweite Backvorgang nach dem Frieren dient
dann nur noch dazu, die Kruste zu kräftigen, ihre Knusprigkeit dauerhafter zu machen, die
Röstaromen zu akzentuieren. Das Resultat lässt sich bei den klassischen Weizenbroten
von Ströck nachprüfen, beim Laurenzio- Wecken ebenso wie bei der Bio-Weizenkrone,
dem Pain Provençal, der Bauern-Ciabatta oder der Wiener Mischung – sie alle werden
gebacken, dann gefroren und in der Filiale ein zweites Mal gebacken.

Besonders kräftige Kruste

Auch das Tieffrieren fertig gebackenen Brotes zu Hause kann verhältnismäßig erfreuliche
Ergebnisse zeitigen. Auf jeden Fall sollte der Laib vor dem Einfrieren möglichst luftdicht verpackt sein. Das verhindert, dass die in der Raumluft enthaltene Feuchtigkeit sich an der Kruste absetzt. Beim Herausnehmen die Verpackung gleich entfernen und das Brot auf einem Kuchengitter oder Ähnlichem auftauen lassen – oft lässt sich auf diese Art sogar eine gewisse Knusprigkeit beibehalten. Bei Bedarf kann die Kruste aufgetauten Brotes durch einen kurzen Aufbackgurchgang im 180 °C heißen Ofen
wiederbelebt werden – die besondere Kraft und Qualität eines Profi-Brotbackofens wird das heimatliche Backrohr jedoch nur unvollkommen nachbilden. Kleingebäck wie eine Semmel leidet beim Wiederaufbacken unweigerlich, die Kruste wird bröselig und zerfällt. Überhaupt ist die Sache ausgerechnet bei Gebäck (das nun einmal am allermeisten von der Backofenfrische profitiert) besonders
heikel. Es wird als roher Teigling tiefgefroren und in den Filialen dem Bedarf entsprechend gebacken – deswegen braucht es, anders als gebackenes Brot, Zusätze. Die Hefe leidet nämlich unter dem Tieffrieren und muss, damit sie ihr Werk vollbringen kann, unterstützt werden. Vitamin C hilft ihr auf die Sprünge, weshalb bei Ströck etwas natürlicher Acerola-Kirschsaft in den Teig gemengt wird. Dieser Teig muss möglichst schnell, binnen einer Woche, aufgebacken werden, damit die Qualität nicht leidet. Was auf der
anderen Seite aber auch eine gute Nachricht ist: So können die Kunden sicher sein, dass ihr Gebäck auch tatsächlich so frisch ist, wie es schmeckt.

Text von Severin Corti & Foto von Lukas Friesenbichler