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Die Glut kosten
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Die Glut kosten

Magie des Feuers

Heiß: Zwischen Stockholm und San Francisco entdeckt eine neue Generation von Spitzenköchen soeben das Kochen auf offener Flamme neu – die älteste Art des Zubereitens überhaupt. Auch in Wien lässt sich die Vielfalt dieser Kochkunst erkunden – Griffig & Glatt verrät die besten Adressen für Feuerküche.

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Sie heißen Niklas Ekstedt und Russ Moore, Francis Mallmann und Victor Arguinzoniz, sie stehen in Stockholm und Berkeley, Buenos Aires und im spanischen Baskenland auf dem Herd. Und sie gehören zum Heißesten, was die internationale Kochszene dieser Tage zu bieten hat: Köche, die mit Michelin-Sternen und anderen Auszeichnungen nur so gespickt sind, in ihrer Küche aber auf archaische Techniken zurückgreifen.

Niklas Ekstedt mag in seiner offenen, in den Gastraum integrierten Küche gleich fünf verschiedene Kochstellen zur Verfügung haben – das Besondere ist aber, dass er sie alle buchstäblich befeuern muss. Und dass es in der gesamten Küche keinen Strom gibt. Das ist bei Russ Moore in seinem Camino in Kalifornien nicht ganz so radikal, aber auch dort bestimmt eine riesige offene Feuerstelle den Geschmack des Essens. Und im Asador Etxebarri im Baskenland kommen alle Speisen ausschließlich vom Grill.

EINE KÜCHE MIT OFFENEM FEUER BIETET DEM GAST NICHT NUR EINZIGARTIGE ATMOSPHÄRE SONDERN AUCH EBENSOLCHEN GESCHMACK.

Nachdem das feine Essen in der Vergangenheit von intellektualisierter Molekularküche und allerhand erstaunlichem Equipment aus der Hochtechnologie und dem Chemiebaukasten bestimmt war, ist Besinnung auf ursprüngliche Empfindungen und Geschmackserlebnisse angesagt.

Oft vermag man sich schon beim Verlassen eines Gourmettempels an kaum eine Speise konkret zu erinnern, und selbst Profis haben oft Mühe, unter all den trendaffinen Edelköchen tatsächlich individuelle Züge herauszuschmecken. Was dafür lange im Gedächtnis bleibt, ist die exorbitante Rechnung. Eine Küche mit offener Feuerstelle aber kann dem Gast nicht nur einzigartige Atmosphäre, sondern mindestens ebenso auch charakteristischen Geschmack versprechen – für noble Restaurants ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

In Wien ist der Trend zur Feuerküche noch nicht in den Nobelrestaurants angekommen, umso bemerkenswerter aber lässt sich diese Form der ursprünglichen (und unerwartet variantenreichen) Speisenzubereitung in Restaurants mit authentischer Ethnoküche erleben. Man benötigt dafür auch keine dicke Brieftasche – nur etwas Neugier und Offenheit für andere Kulturen.

Bei der klassisch neapolitanischen Pizza aus dem 400 Grad heißen Holzofen, die in dessen brüllenden Hitze binnen Minuten zu luftiger Herrlichkeit gebacken wird, ist nicht einmal das vonnöten – sie gehört schließlich zu den Lieblingsspeisen auf der ganzen Welt. (Wien hat in den vergangenen Jahren einen wahrhaftigen Boom toller, authentisch backender neapolitanischer Pizzerien erlebt.)

Besonders raffiniert wird die Kraft des Feuers in der japanischen Küche eingesetzt. Feine Teriyaki-Spieße mit allem vom Huhn, von den Innereien über die Haut bis zum Filet, werden hier erst mariniert und dann nach uralter Tradition auf dem Holzkohlen-Robatagrill gegrillt.

Wer durch Indiens Städte geht, kommt an jedem Häuserblock an einem Tandoor-Meister vorbei, der mithilfe der Glut und des Feuers frische Fladenbrote bäckt, und der Balkan ist südlich von Slowenien ohnehin so etwas wie der Barbecue-Belt Europas: Überall drehen sich am Straßenrand ganze Lämmer und Schweine am Spieß oder schmoren Kalbskeulen im Sač, der Tagine des Balkans: in Kohlehaufen.

IN WIEN IST AUTHENTISCHE FEUERKÜCHE VOR ALLEM
IN ETHNISCHEN RESTAURANTS ZU HABEN: ETWA BEIM
ITALIENER, INDER, JAPANER ODER SERBEN.

In Wien ist authentische Feuerküche dieser Art meist nur in Lokalen möglich, die über eine alte, bestehende Betriebsanlagengenehmigung für einen Holzkohlengrill oder Ähnliches verfügen. Heute ist es nämlich richtig kompliziert, eine Feuerstelle im Lokal genehmigt zu bekommen. Im Gegensatz zu anderen Weltstädten des guten Essens sind die Behörden in Wien besonders streng – auch um die Bewohner von Dachgeschoßwohnungen nicht mit Geruchsbelästigung via Abluft zu plagen.

Die hier gezeigten Restaurants sind einige der interessantesten Beispiele für Feuerküche in Wien. Wir haben einige Experten befragt, was sie von den Lokalen halten – konkret die Ströck-Mitarbeiter, die deswegen so genau über die Qualität der verschiedenen Restaurants urteilen können, weil sie ihre Wurzeln in ebendiesen Kulturkreisen haben – und also ziemlich genau wissen, wie das Essen schmecken sollte.

Haveli

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Nur einen Steinwurf vom Ströck-Feierabend-Garten in Aspern entfernt liegt ein hochgelobter Inder. In der Küche wird wie in Wien kaum anders möglich mit einem Gastandoor gegrillt – weil Betreiber Keshar Kumar den charakteristischen Geschmack eines echten Glutofens nicht missen wollte, stellte er mit der eben abgeschlossenen Renovierung einen ebensolchen im Gastgarten auf. Der wird zwar vornehmlich im Sommer genutzt, die Grillspeisen aus dem Küchentandoor haben es aber auch in sich.

Restaurant Haveli
Groß-Enzersdorfer Straße 11, 1220 Wien
Tel.: 01 210 69 44
www.restauranthaveli.at

Unser Mitarbeiter Jasmeet Singh Khurana, Ströck Filialleiter, war Testessen im Restaurant Haveli:

Disco Volante

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Diese extravagant gestaltete Pizzeria macht bei der Zubereitung der Pizzen keine Kompromisse: Die Pizzaioli stammen aus Neapel, die Grundprodukte von Mehl über Paradeiser bis Mozzarella ebenso, und der retro-futuristische Pizzaofen hinter seiner discoglitzernden Fassade stammt von einem der renommiertesten Ofensetzer der Stadt am Vesuv. Dementsprechend kommen die Pizzen hier in wunderbar konstanter Qualität aus dem Ufo-Ofen geschossen.

Pizzeria Disco Volante
Gumpendorfer Straße 98, 1060 Wien
Tel.: 0664 195 25 45
www.disco-volante.at

Unser Mitarbeiter Luca Colombo, Ströck Qualitätsmanagement, war Testessen in der Pizzeria Disco Volante:

Okra Izakaya

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Robata-Grills produzieren besonders scharfe Hitze, um die kleinen, delikat marinierten japanischen Spießchen binnen kurzer Zeit knusprig und rauchig, aber eben auch saftig hinzubekommen. Im Okra sind es vor allem Hühnerspieße mit köstlichen Marinaden und Misoglasuren, die auf dem Grill landen. Mindestens so beliebt: die kreativen Sushi- und Sashimi-Varianten, die der mit einer Japanerin liierte Chef deutlich nuancenreicher über die Rampe bringt als sonst üblich.

Okra Izakaya
Kleine Pfarrgasse 1, 1020 Wien
Tel.: 0699 175 27 190
www.okra1020.com

Unser Mitarbeiter Emetjan Merdan, Ströck Einkauf, war Testessen im Okra Izakaya:

Alis Grill

Hier isst man mit Blick auf die Staatsoper türkische Küche – und die noble Adresse ist in diesem Fall durchaus ein Hinweis auf die Qualität des Essens. Neben sehr aufmerksam gefertigten kalten und warmen Vorspeisen sind es aber vor allem die grandiosen Spieße vom Holzkohlengrill, die Wiener und Touristen gleichermaßen dazu animieren, gerade diesen Türken zu belagern. Besonders gut: die Lammkoteletts, die feine Leber und die – ziemlich scharfen – gegrillten Pfefferoni.

Alis Grill
Operngasse 14, 1010 Wien
Tel.: 01 581 15 67
www.alisgrill.at

Unser Mitarbeiter Murat Tünger, Ströck Bäcker, war Testessen bei Alis Grill:

Semendria

Glücklicherweise beginnt der Balkan bereits auf der Schönbrunner Straße: Im Semendria werden jeden Tag ein Lamm und ein Spanferkel über glühenden Holzkohlen zur Perfektion gebrutzelt. Wenn der Grillmeister (35 Jahre Erfahrung!) mit ihnen fertig ist, ist die Ferkelhaut so knusprig wie eine Crème brûlée, und das Fleisch fällt bei beiden, Lamm und Schwein, löffelweich vom Knochen. Unbedingt dazu bestellen: sündig guten Kajmak-Toast und eingelegtes Gemüse. Im Mutterlokal, dem Semendria in der Koppstraße, gibt es zwar auch Spanferkel, der Grill steht aber nicht so prächtig im Gastraum.

Restaurant Semendria
Schönbrunner Straße 84, 1050 Wien
Tel.: 0660 262 62 65
www.facebook.com/semendria1050wien

Unser Mitarbeiter Cosmin Macelar, Ströck Bäcker, war Testessen im Restaurant Semendria

Text Severin Corti
Fotos Gerhard Wasserbauer