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In der Dürre ernten

In der Dürre ernten

GETREIDE IM KLIMAWANDEL

Der vergangene Sommer hat erneut deutlich gemacht, dass der Klimawandel auch für den Weizenanbau neue Strategien erfordert. Im Interview erklärt der Saatgutzüchter Johann Birschitzky, warum Weizen in Dürrejahren zwar weniger Ertrag bringt, qualitätsmäßig aber oft zulegt – und wie die Wissenschaft sicherstellen will, dass er dem Stress des Klimachaos zu widerstehen lernt.

Alle ernstzunehmenden Experten gehen inzwischen davon aus, dass der Klimawandel die Landwirtschaft künftig noch stärker beeinträchtigen wird. Hitze, Dürre und kurze Frühlingsperioden sind Phänomene, die in unseren Breiten zur Norm werden könnten.

Zwar wird Weizen wohl weiterhin die Hauptgetreideart der gemäßigten Klimazone bleiben. Doch es wird ein anderer Weizen sein müssen als jener, der bisher bei uns gewachsen ist: „Wir werden an Trockenresistenzen arbeiten müssen“, sagt Christian Krumphuber von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Konkret heißt das: „Das Sortenspektrum wird sich ändern.“ Wie sich Saatgut bestmöglich an die Situation anpassen lässt, darüber hat sich Griffig & Glatt mit Johann Birschitzky, dem Geschäftsführer der Saatzucht Donau, unterhalten.

Johann Birschitzky ist Saatgutzüchter. Als Geschäftsführer der Saatzucht Donau steht er einem der führenden heimischen Unternehmen für die Züchtung und Sortenentwicklung von Getreide sowie Öl- und Eiweißpflanzen vor.

Die Züchtung einer neuen Getreidesorte dauert zehn bis 15 Jahre. Wie gut waren die Saatgutzüchter damals, vor zehn bis 15 Jahren, auf eine „Jahrhundertdürre“ wie 2018 vorbereitet?

Eigentlich recht gut. Das Klima wird ja nicht erst seit drei Jahren heißer und trockener, sondern kontinuierlich. 2018 war sicherlich ein Peak, aber 2003 befanden wir uns in einer ähnlichen Situation. Es gibt immer wieder sehr trockene Jahre, das Thema ist bei uns seit 20 Jahren auf der Agenda.

Wie fiel die Getreideernte heuer global aus?

Es gibt Weltregionen mit schwächeren Erträgen beim Getreide, das sind weite Teile Europas, richtig schlecht sieht es da vor allem in Deutschland, Polen, im Baltikum, in Österreich und Tschechien aus. Auch in Australien ist es auf dem ganzen Kontinent sehr trocken, das ist dort aber jedes zweite Jahr der Fall. Schwächere Ernten gibt es auch in weltweit führenden Exportnationen wie Russland und in der Ukraine und in manchen Gegenden Nordamerikas.

Brot, Backwaren und Bier werden also teurer?

Es gibt jedenfalls gestiegene Getreidepreise an der europäischen Leitbörse in Paris, weil Weizen als Leitkultur knapper wird.

Werden wir die Qualitätskriterien etwa für Backweizen zurückschrauben müssen?

Tendenziell haben wir beim Weizen kein Qualitätsproblem, eher ein Ertragsproblem. Bei Trockenstress werden die Qualitätsparameter – Proteingehalt, Stärkefüllung – sogar noch besser erfüllt. Das heißt, in Jahren mit Notreife ist die Stärkeeinlagerung früher beendet, weshalb der Proteingehalt höher ist. Das heißt, für die Backqualität sind die ertraglich schlechteren Jahre meist besser, auch heuer gibt es mehr Premiumweizen als sonst.

Quer über alle Getreidearten und Sorten: Lassen sich allgemeingültige Kriterien festmachen, an denen sich Pflanzenzüchter orientieren können?

Beginnen wir mit der negativen Botschaft: Getreide ist generell nicht sehr hitzeangepasst. Es hält zwar Trockenheit gut aus, aber bei Temperaturen von mehr als 27, 28 Grad kommt es schnell zu einem sehr beschleunigten Abreifeprozess. Das sind biochemische Vorgänge, durch die weniger Ertrag ausgebildet wird, da kann züchterisch wenig gemacht werden. Unsere neuen Zuchtstämme werden vor allem auch in den heißen Regionen Ungarns, Rumäniens und in Kroatien getestet, um jene Genotypen herauszufinden, die bei stressigen Hitzesituationen besser sind. Sensationelle Werte sind da nicht machbar, aber fünf Prozent mehr Ertrag bei Stress sind auch schon etwas.

Inzwischen wird in manchen Gegenden Skandinaviens bereits Wein angebaut. Kulturen verlagern sich. Weltweit betrachtet: Welche neuen Kornkammern kündigen sich bereits an?

In Summe kann man sagen, dass kühlere bis kalte Regionen von der Klimaerwärmung profitieren und dass die schon jetzt trockenen Regionen leiden werden. Wobei es immer wieder Ausnahmen gibt: Spanien hatte heuer beispielsweise eine sehr gute Getreideernte, weil es im April und Mai, wo sich dort das Getreide entwickelt, etwas mehr geregnet hat als sonst. Sonst werden künftig manche Teile Nordamerikas, Russlands und Sibiriens als Getreideanbaugebiete gewinnen. Nordafrika, Australien und Südeuropa werden mit stärkeren Dürreausfällen rechnen müssen.

Die Hauptgetreideart jeder Klimaregion ist für dortige Verhältnisse am besten angepasst.

Man kann daher davon ausgehen, dass es diese auch in Zeiten des Klimawandels weiterhin geben wird. Beim Weizen liegt die Herausforderung darin, Trockenresistenz herauszuzüchten.

Der Osten Österreichs – speziell das March­feld und das Burgenland – gelten als die Kornkammer des Landes. Auf welche besonderen lokalen Bedingungen stellen sich denn Züchter heute schon für 2030 ein?

Eine gewisse Verschiebung des Kulturartenspektrums läuft bereits seit Jahrzehnten. So gibt es etwa eine kontinuierliche Abnahme der Sommergerste, die erst im März angebaut wird und deshalb im jungen Stadium besonders unter der Hitze leidet. Das heißt, man hat stärker auf die Winterform gesetzt, die bei uns meist im Oktober ausgesät wird. Bereits jetzt sind etwa 30 Prozent der Braugerste Winterbraugerste und ich bin überzeugt, dass das noch zunehmen wird. Auch wärmeliebende Pflanzen wie Mais und Soja nehmen zu. Getreide wird auch weiterhin rückläufig sein, was die Gesamtfläche angeht. Und beim Getreide werden frühreife Sorten dominieren. Wir prüfen unsere Sorten sehr breitgefächert – das heißt, auf Standorten von der Türkei bis Frankreich. Wobei es eine Illusion wäre, auf Pflanzen zu hoffen, die unter perfekten Bedingungen genauso wie in Trockenstressjahren gute Erträge liefern. Wenn ein Bauer im Oktober anbaut, weiß er natürlich nicht, wie das Wetter im Mai und Juni wird, den beiden wichtigsten Monaten für die Ertragsbildung beim Getreide.

Wird Getreideanbau künftig nur noch mit Bewässerung funktionieren?

Ich glaube, dass wir Getreide in Österreich auch in den nächsten 20, 30 Jahren großteils nicht bewässern werden. Schon allein deshalb, weil sich die Investition in Bewässerungsanlagen, deren Betriebs- und Wasserkosten ökonomisch nicht rechnen. In vielen Jahren ist Getreide im weltweiten Maßstab ja nicht sehr teuer. Zuletzt waren wir bei 150 bis 180 Euro pro Tonne. Da rechnet sich zumindest im konventionellen Ackerbau die Bewässerung kaum. In manchen Regionen und auf einzelnen Betrieben kann Bewässerung aber natürlich auch eine Rolle spielen.

Kaum ist die Ernte eingebracht und sind die Felder geackert, wird vielerorts bereits das Saatgut für das Wintergetreide vorbereitet. Wie müssen denn der Herbst und der Winter ausfallen, damit die Voraussetzungen für die Ernte 2019 besser sind?

Für das Wintergetreide, das schwerpunktmäßig im Oktober gebaut wird, soll es nicht extrem trocken sein und auch nicht den ganzen Oktober regnen. Der Winter ist nur alle fünf bis zehn Jahre ein Problem, nämlich dann, wenn milde Phasen – etwa der berühmte Weihnachtstau mit zehn, 15 Grad plus –, in denen das Getreide seine Ruhephase unterbricht und hochschießt, von Kälte und Frost ohne Schnee gefolgt werden. Das hatten wir zuletzt 2011/2012 und davor 2003. Hauptentscheidend ist der Niederschlag im Frühjahr – und dass die Hitzetage möglichst spät kommen. Wenn es schon Ende Mai in Richtung 30 Grad geht, also eine frühe Hitzewelle, das ist das Schlimmste. Heuer war die Situation insgesamt sehr ungünstig: Im März war noch richtig Winter, also keine Vegetation, dann wurde es sehr rasch warm und trocken im April und im Mai. Wobei man leider beobachten kann, dass diese späteren Winter, gefolgt von einem kurzen Frühling für zwei bis drei Wochen und gleich darauffolgenden Sommertemperaturen, zunehmen.

Interview Thomas Weber
Illustration Maria Giemza