Es gibt Pizza und es gibt das, was Franco Pepe bäckt. Das sieht zwar ähnlich aus wie die Konkurrenz, ist aber vom Genuss her in einer ganz anderen Dimension.
von Tobias Müller
Da ist zunächst einmal der Teig: So knusprig und gleichzeitig flaumig, so befriedigend im Biss und trotzdem schwebend leicht ist das sonst nirgends zu erleben – so also kann guter Pizzateig schmecken! Klar, es gibt alle Klassiker hier, aber noch besser sind Francos eigene Kreationen: die „Margherita Sbagliata“ etwa, die „falsche Margherita“: Statt mit gekochter Sauce toppt er sie mit einem Püree aus rohen Paradeisern. Sie schmeckt wie die platonische Idee von Paradeisersauce, gleichzeitig urig vertraut
und doch ungekannt köstlich.
Oder die „Crisommola del Vesuvio“, eine Pizza fritta (frittierte Pizza), wie sie in Süditalien weit verbreitet ist. Der fluffige, ölheiße Fladen wird dafür mit aufgeschlagenem cremigem Ricotta getoppt, mit knackigen Haselnüssen und herrlicher Marmelade aus Marillen von den Hängen des nahen Vesuvs, die so intensiv fruchtig schmeckt, als bestünde sie nur aus reifen, sonnengetrockneten Marillen. Das Ergebnis ist nicht nur die vielleicht beste Pizza fritta, sondern schlicht eines der besten Desserts, die es in Italien zu kosten gibt.
Pepes Pizzeria Pepe in Grani liegt in Caiazzo, einem kleinen mittelalterlichen Dorf in den Bergen etwa eine Stunde außerhalb von Neapel. Schon sein Großvater eröffnete hier eine Bäckerei, sein Vater wandelte sie dann in eine Pizzeria um. Nach dem Tod des Vaters übernahm Franco zunächst gemeinsam mit seinem Bruder das Lokal – bald aber sperrte er nur wenige Hundert Meter entfernt, in einem alten Palazzo, seine eigene Pizzeria auf.
Franco Pepe und sein Team (l.) backen in Caiazzo bei Neapel spektakulär gute Pizzen.
Schon Pepes Großvater backte Brot in Caiazzo, sein Vater stellte auf Pizza um – und Pepe revolutionierte die Branche mit seiner Pizzeria, etwa mit seinen frittierten Pizza-Cornetti. All seine Zutaten, auch die Toppings wie der Mozzarella, sind handverlesen, am VIP-Tisch können Gäste durch ein Loch den Pizzabäckern bei der Arbeit zusehen.
Backen, wie keiner zuvor gebacken hat
„Als ich angefangen habe, wollte ich mein eigenes Ding machen, etwas, was noch nie jemand anderer gemacht hat“, sagt Franco Pepe. „Mit dem perfekten Teig und einem richtig guten Topping entsteht nicht nur Pizza, sondern man kann Emotionen servieren.“ Das klingt zunächst sehr italienisch – wer aber einmal in eine von Francos Pizzas beißt, wird tatsächlich, man kann es nicht anders sagen, von einer Welle des Glücks überrollt. Franco wird seinem Anspruch definitiv gerecht.
Er hat die vergangenen drei Jahre in Folge den „World’s Best Pizza Award“ gewonnen, Pepe in Grani stand als vielleicht einzige Pizzeria jemals auf der Discovery-Liste der „World’s 50 best Restaurants“. Jonathan Gold, der legendäre Restaurantkritiker der „L.A. Times“, nannte Pepes Pizza in seiner Kritik schlicht „perfekt“. In Italien ist er schon länger ein Star, die eigene Episode über ihn in der Netflix-Pizzadokumentation „Chef’s Table: Pizza“ hat seinen Ruf endgültig rund um die Welt getragen. Seither kommen die Gäste nicht nur aus Neapel, Rom und Milano angereist, sondern auch aus Tokio, New York und Paris.
Das Geheimnis seines Erfolgs? „Viele kleine Schritte, die alle perfekt gemacht werden müssen“, sagt Franco. „Keiner davon ist für sich genommen besonders schwer, aber wenn du nur einen nicht richtig machst, ist alles ruiniert, vom Teig über die perfekten Zutaten bis zum Service.“ Das Mehl, das er für all seine Pizzas verwendet, wird eigens für ihn aus verschiedenen Getreidesorten aus verschiedenen Gegenden Italiens gemischt. Der Teig folgt keinem strengen Rezept, sondern wird jeden Tag ein klein wenig anders gemacht, weil Temperatur, Luftdruck oder Luftfeuchtigkeit alle einen Einfluss haben. Sämtliche seiner Toppings stammen von befreundeten Bauern, fast alle aus der unmittelbaren Umgebung – von den Paradeisern und dem Olivenöl bis hin zu Mozzarella oder der oben erwähnten Marillenmarmelade.
Pizzaliebhaber aus der ganzen Welt pilgern nach Caiazzo zu Pepe. Sein Lokal erinnert mehr an einen Michelin-besternten Fine-Dining-Tempel denn an eine klassische Pizzeria.
Frisch aus dem Pizzalabor
Ebenfalls geholfen haben dürfte ihm ein sehr unitalienischer Zugang zu seinem Beruf. Während andere italienische Köche gerne unhinterfragt tun, was schon ihre Väter und Großväter (oder genauer: Mütter und Großmütter) getan haben, hat Pepe neben seiner Pizzeria auch eine eigene Versuchsküche eingerichtet, die er „Pizza Lab“ nennt. Über die Jahre hat er hier unermüdlich mit wissenschaftlicher Präzision am perfekten Teig getüftelt – von Hydrationsrate über Rastdauer bis hin zu Backzeit und Temperatur.
Das heißt nicht, dass er nach einer Formel arbeitet – nur, dass er durch seine Experimente gelernt hat, welche Faktoren wichtig sind und wie sie sich auswirken. Gemischt und geknetet werden die 110 Kilo Mehl und weit über 100 Liter Wasser ausschließlich von Hand. „Ich wollte immer zeigen, dass moderne Technik nicht immer besser ist“, sagt Pepe, „dass es etwas gibt, das nur Menschen machen können. Nur ein Mensch kann fühlen, wann der Teig perfekt ist.“
Die beste Art, das Ergebnis zu kosten, ist Pepes „Pizza-Tasting-Menü“: Dabei wird für den ganzen Tisch immer nur eine Pizza serviert und gemeinsam genossen. Erst wenn sie aufgegessen ist, wird die nächste nachgeschoben. Die Köche suchen aus, welche serviert werden, und hören erst auf, wenn die Gäste stopp sagen. Erstens können Interessierte so viel mehr Pizzas probieren, und zweitens stellt das sicher, dass die Fladen immer heiß genossen werden können und nicht spätestens ab der Hälfte ausgekühlt sind.
Klingt und ist einfach, ist aber ein weiterer kleiner Schritt auf dem Weg zur Perfektion.
www.pepeingrani.it