TEXT TOBIAS MÜLLER
Tiefkühlteiglinge aus dem Holzbackofen, Brot aus Demeter-Getreide für den Discountsupermarkt: Fredy Hiestand vereint mit seiner Bäckerei Fredy’s vermeintliche Widersprüche und wurde damit einer der erfolgreichsten Bäcker der Schweiz. Wieder einmal.
Fredy Hiestand kann sich noch gut an das Brot seiner Kindheit erinnern. Einmal in der Woche setzte seine Mutter den Sauerteig an, mit Kartoffeln drin, damit das Brot länger saftig blieb. Dann brachten sie es gemeinsam zum Holzbackofen des Dorfes. An besonderen Tagen kam auch eine Linzertorte mit. Frisch aus dem Feuer, nur ein wenig abgekühlt, waren beide ein ganz besonderer Genuss.
Hiestand ist heute 79, der Geruch von Rauch und Feuer, der Geschmack von Bauernbrot und altem Handwerk haben ihn aber bis heute nicht losgelassen: In seiner Bäckerei Fredy’s werden fast alle Produkte im Holzofen gebacken, befeuert mit Buchenholz aus der Region. Das Getreide stammt komplett aus der Schweiz und ausschließlich aus pestizidfreiem Anbau, teils gar Demeter-zertifiziert; und jedem Produkt, das Mehl enthält, werden fünf Prozent Vollkornmehl beigemischt für den guten Geschmack und zwei Prozent Weizenkeim für die Gesundheit.
Bei Fredy’s wird im großen Stil im traditionellen Holzofen gebacken –
fast so wie damals, als der Chef
noch ein Kind war.
„Der Keim ist das Wertvollste vom Getreide, der Teil, aus dem neues Leben wächst“, sagt Hiestand. „Aber weil er ranzig werden kann, wenn er falsch gelagert wird, wird er in der Mühle ausgesiebt und landet meist im Tierfutter oder im Reformhaus. Wir geben ihn wieder zurück ins Brot, wo er früher auch immer war.“
Wer jetzt glaubt, Fredy’s sei ein kleiner Vollkornbäcker oder Hipsterladen, wo Teig im Vollmondschein von Hand geknetet wird, der irrt gewaltig. Der Betrieb gehört zu den größten Bäckereien der Schweiz und verkauft ausschließlich Tiefkühlware. Das Sortiment umfasst stolze 400 verschiedene Produkte, vom klassischen Gebäck oder Holzofenbrot „Wild und Mediterran“ bis hin zu speziellen Kreationen wie „Maisgipfeli“ und Quiche „Ratatouille“. Die Brote und Gebäck von Fredy’s liegen frisch fertiggebacken in Schweizer Discountsupermärkten genauso wie in der Schweizer Spitzengastronomie und -hotellerie.
Klassische Filialen betreibt Hiestand keine, nur in Schlieren bei Zürich gibt es ein Bäckerei-Café namens Fredy dä Beck: Hier werden neue Produkte getestet, zudem gibt es frische Biosalate von Hiestands Frau Tina und eine Focacciabar.
Das Holz für die Öfen bei Fredy’s
stammt aus der Schweiz – so wie
der Großteil der Rohstoffe, die in der
Bäckerei verarbeitet werden.
Dass tiefgekühlte Backwaren ganz fantastisch sein können, hat er in seiner ersten Karriere als Bäcker gelernt. Als Hiestand sich 1967 das erste Mal selbstständig machte, spezialisierte er sich auf tiefgekühlte Croissant-Teiglinge, die er an Bäcker weiterverkaufte. Weil diese nach dem Auftauen erst noch in einem Wärmeschrank gären mussten, konnten sie nur Profis verwenden.
1988 kam er dann auf eine damals revolutionäre Idee: die Teiglinge erst nach dem Gären einzufrieren, sodass sie nur noch aufgebacken werden mussten. Vom Tiefkühler zum frischen Croissant dauerte es nur 20 Minuten – plötzlich konnten sie auch Supermärkte, Tankstellen und Hausfrauen und -männer fertigbacken. Der Erfolg war überwältigend.
Vom „Gipfelikönig“ zum Holzofenbäcker
Tiefgekühltes Brot und Gebäck, ist Hiestand überzeugt, ist mindestens so gut wie frisches: „Im Kern ist der Backprozess abgeschlossen, es fehlt ja nur noch die Kruste, und die bekomme ich in 15 Minuten im Ofen“, sagt er.
Zu seinen erfolgreichsten Zeiten stammten mehr als 50 Prozent aller in der Schweiz verkauften Croissants von Hiestand. Es folgten Werke in Deutschland, Polen und Malaysia. Die Schweizer Presse nennt ihn bis heute den „Gipfeli-König“ – Gipfeli bedeutet auf Schweizerdeutsch Croissant. 1997 ging das Unternehmen an die Börse – für Hiestand rückblickend der größte Fehler seines Lebens. „Da kommt plötzlich eine neue Kultur rein, die dem Aktienkurs mehr Bedeutung schenkt als der Qualität.“
2002 verkaufte er seine Anteile an der alten Firma und gründete Fredy’s. Hier geht es wieder in seine eigene Richtung – und wie es aussieht, war er wohl wieder seiner Zeit voraus. Seine leicht nostalgischen Holzbacköfen ver-wenden nämlich sehr nachhaltige Energie – „und wenn ich mir die aktuellen Probleme mit Erdgas anschaue, bin ich sehr froh über jeden einzelnen Holzofen, den ich betreiben kann“, sagt er.
Sein nächstes Ziel ist, nicht nur Getreide, sondern auch Schokolade ohne Pestizide zu verarbeiten. In Côte d’Ivoire betreibt er daher seit einigen Jahren ein Projekt in Sachen biologischer Schokoladeanbau in Mischkultur. Auf seiner Website veröffentlicht er Artikel mit Titeln wie „100 Prozent Bio ist möglich“ und „Wir müssen grüner werden“. Heuer hat die neue Lehrwerkstatt eröffnet, wo Hiestand künftig vier junge Menschen pro Jahr ausbilden will. Ein bekannter Bäcker aus der Umgebung hat seinen Sohn bei ihm zur Lehre angemeldet. „Das macht mich schon ein wenig stolz“, sagt er zufrieden.